Sehr geehrter Fonds für Verkehrssicherheit,
Auch wenn das Ziel eurer Kampagne „Das Spiel deines Lebens“ klar ist (Verringerung der Velounfälle) und ziemlich gut umgesetzt wurde (man merkt, dass erhebliche Mittel dafür aufgewendet wurden), ist es unglaublich, wie sehr sie ihr Ziel verfehlt!

Ob ihr es glaubt oder nicht: Jede Velofahrerin und jeder Velofahrer ist sich der eigenen Verletzlichkeit im Strassenverkehr äusserst bewusst.
Auch wenn wir uns – wie übrigens viele Autofahrende – nicht immer strikt an jede einzelne Verkehrsregel halten, geschieht dies niemals auf Kosten unserer eigenen Sicherheit. Diese bleibt für uns stets das oberste Gebot und das entscheidende Kriterium bei jeder Entscheidung im Sattel.
Gerade deshalb können sich Velofahrende – mit Ausnahme vielleicht einer winzigen Minderheit – in den vier dargestellten Personen Ihrer Kampagne kaum wiedererkennen.
Wenn es euer Ziel ist, das Risiko von Fahrradunfällen zu verringern, dann müsst ihr euch von gängigen Vorurteilen lösen und euch den tatsächlichen Ursachen widmen.
Diese liegen nicht im Verhalten einzelner Velofahrender, sondern in den strukturellen Problemen: der erzwungenen gemeinsamen Nutzung des Strassenraums mit motorisiertem Verkehr und einer oft unzureichenden, gefährlichen Infrastruktur.
Warum klärt ihr Autofahrer nicht über die Risiken bestimmter Verhaltensweisen auf – etwa das Überholen ohne ausreichenden Seitenabstand, das Abbiegen an unübersichtlichen Stellen oder die Ablenkung durch das Mobiltelefon?
Und warum richtet ihr euch nicht an die öffentlichen Behörden, um auf die dringende Notwendigkeit sicherer, durchgehender und gut gewarteter Velowege hinzuweisen – ohne Schlaglöcher, Kanten, Poller oder andere unnötige Hindernisse?
Euer Ansatz ist auch kontraproduktiv.
Wenn ihr ausgerechnet jene Velofahrerinnen und Velofahrer stigmatisiert, die ihr eigentlich sensibilisieren möchten, verfehlt ihr euer Ziel – und verärgert genau jene Menschen, die ihr erreichen wollt.
Mit dieser Form von Victim Blaming vermittelt ihr den Eindruck, Velofahrende hätten im Strassenverkehr keinen legitimen Platz – und müssten weder von Behörden noch von anderen Verkehrsteilnehmenden ernst genommen oder respektiert werden.
Statt zum Umstieg auf das Velo zu motivieren, erzeugt ihr Angst – und zeichnet ein Bild des Velofahrens als durchweg lebensgefährlich. Damit leistet ihr der Förderung nachhaltiger Mobilität einen Bärendienst.
Dabei zeigt die wissenschaftliche Evidenz ein ganz anderes Bild:
Eine gross angelegte Langzeitstudie mit über 80’000 Teilnehmenden über 18 Jahre kam zum Schluss, dass regelmässiges Velofahren das Sterberisiko um 46 % senkt – sogar unter Einbezug des Unfallrisikos (Link).